Schon das Feld ist die Fülle. Die Ähren nicken schwer von all den Körnern. Das Weizenfeld in der Sonne ist ein Sommeranblick. Er nährt die Seele. Aber es tut noch mehr. Denn dieser Weizen wird bald schon Brot, wird gemäht, gedroschen, gereinigt, gemahlen, gebacken, wird zum Brot, wenn die Ferien schon lange wieder vorbei sind und der Alltag begonnen hat. Wird Pausenbrot und Abendbrot, wird Schrippe und Stulle. Auch dann, wenn du an den Sommer schon gar nicht mehr denkst und an den Urlaub und die Ferien, an das Leben in seiner Fülle. Vielleicht gerade dann. Denn aus dem Weizen wird das Brot. Es reicht lange. Seele und Leib werden satt daran.
Weizen und Brot. Nicht nur der Leib soll ja nach dem Urlaub satt sein, sondern auch die Seele. Doch wie lange reicht das? Wenn ich aus dem Urlaub zurückkomme, bin ich schon bald wieder satt. Aber anders. Die Nachrichten über Kriege und Krisen und dieser merkwürdig unbeständige Sommer, zwar nicht zu heiß, aber auch nicht so, wie ein Sommer sein soll. Und dahinter die viel größere Sorge, dass dies nur ein Anfang ist und Wetterextreme sich verstärken, uns Katastrophen und Ernteausfälle drohen. Eine Angst, die im Bauch nagt, nicht ganz unähnlich einem Hungergefühl. Und das ungute Gefühl, dass unsere Gier ist, die letztlich zu all dem geführt hat, unser Hunger nach immer mehr. Nicht satt werden können, die Erde und andere Menschen ausnutzen, das hat Folgen und wir spüren sie. Aber wovon wird man wirklich, wirklich satt?
Geht mit dieser Frage zu Jesus. So wie die Leute damals am See von Tiberias.
Als nun das Volk sah, dass Jesus nicht da war und seine Jünger auch nicht, stiegen sie in die Boote und kamen nach Kapernaum und suchten Jesus.
Und als sie ihn fanden am andern Ufer des Meeres, fragten sie ihn: Was tust du für ein Zeichen, auf dass wir sehen und dir glauben? Was wirkst du? (Joh 6, 24f.30)
Die Menschen da am See Tiberias, die nach Jesus suchen, haben es eigentlich gut, besser als wir jedenfalls. Denn sie waren ja dabei, als Jesus auf dem Gras am Ufer alle satt gemacht hat, mit fünf Broten und zwei Fischen. So satt, dass am Ende noch zwölf Körbe voll Brot übriggeblieben sind. So eine Art spontanes Festival am See Tiberias, nur ohne Musik und ohne Drogen. Menschen, die sich auf einer Wiese lagern und nichts ist organisiert. Und dann nichts als Liebe und Frieden und sogar genug zu essen für alle. Zwölf Körbe mit Brot, das übrigbleibt. Was für eine Fülle.
Aber ihre Seelen sind trotzdem noch nicht satt geworden davon. So wie das manchmal ist, trotz aller schönen Erlebnisse und Events, trotz Freizeit und Urlaub.
Deswegen laufen sie Jesus nicht nur hinterher. Sie fahren ihm sogar mit Booten nach, über den See. Sie sind getrieben von einem anderen Hunger als dem, den ein leerer Magen macht. Das erstaunlich reichliche Brot am Ufer hat nach mehr geschmeckt. Und so, als könnte es nicht nur ihren Leib, sondern auch ihre Seele satt machen. Aber sicher sind sie sich noch nicht. Sie fragen Jesus: Was tust du für ein Zeichen, auf das wir sehen und dir glauben? Was wirkst du?
Mit den Menschen, die Jesus nachlaufen und ihm in Booten hinterherfahren, verbindet uns der Hunger unserer Seelen nach Sicherheit, nach einem Zeichen, danach, dass etwas wirkt und sich spürbar etwas verändert im Leben und in der Welt. Etwas, das bleibt und die Seele richtig satt macht und nicht immer nur den Leib. Und manchmal denke ich: Diesen Hunger haben so viele. Wenn euch so ist, sagt Jesus, dann lauft niemand anders nach. Kommt zu mir, denn ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten. (Joh 6, 35).
Etwas sehen und schmecken können von dieser Freundlichkeit Gottes. Darum feiern wir Abendmahl. Damit ich Gast sein kann einmal, nicht immer selbst meine Wünsche bewirten muss mit dürftiger Kost (Rilke). Dass ich sehen kann, wie die Menschen nach vorne zum Altar kommen, so als hätten sie alle das gleiche Ziel wie ich. Oder die gleiche Sehnsucht nach Nähe zu Gott und zueinander. Die Gemeinschaft miteinander suchen im symbolischen Essen und Trinken. An diesen Tisch, der seit 2000 Jahren für uns gedeckt ist und der niemals leer sein wird. Ein Zeichen dafür, dass bei Gott unsere Fülle ist und ein Leben, wogend und leuchtend wie ein Weizenfeld in der Sonne.
Ein Feld in der Sonne. Jesus ist mit seinen Freunden damals nicht nur an Feldern entlanggelaufen, sondern hinein und quer hindurch. Sie haben ein paar Ähren abgebrochen, sie in der Handfläche ausgerieben und gegessen. Weizen auf die Hand für sie und später dann am See Brot für alle.
Und mit ihnen allen ging die Botschaft, so alt und immer noch so neu in unserer Welt: Dass es dunkle, schwere Wege gibt und Sinnlosigkeit. Niemand weiß das besser als Jesus, denn er ist da ja selbst hinein und hindurch gegangen. Und hat bis zum Ende daran festgehalten, dass wir Liebe und Frieden brauchen. Und dass Liebe und Frieden immer mehr werden, je mehr man sie austeilt. Die anderen lieben, das ist die Fülle in unserem Leben. Daraus wächst, was die Seele satt macht. Herr, gib uns allezeit solches Brot.
Amen

