Eine Meditation zum Wochenspruch Lukas 21,28
(aus meinem Buch „Worte leben)
Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.
(Lukas 21,28)
Es gab Zeiten, in denen waren apokalyptische Vorstellungen etwas aus der Mode gekommen. Das Ende aller Dinge erwarten nur diejenigen, die sehr bedrängt sind von ihrer Gegenwart. Aber auch die vergangenen Jahre haben trotz ihrer vielen Krisen und ihrer beinahe mittelalterlich anmutenden Folge von Seuche, Krieg und Teuerung die Erwartungen auf das Ende aller Zeit nicht neu lebendig werden lassen. Dass es nur nicht noch schlimmer wird – die Zuversicht ist leise und bescheiden geworden. Und selbst diese Art von Hoffnung wurde enttäuscht. Wie kommt man damit zurecht? Meine Haltung war und ist oft nur: Augen zu und durch. Einen Schritt nach dem nächsten, einen Tag nach dem andern bewältigen. Was noch alles kommt, weiß niemand. Und vielleicht ist es auch besser, es nicht zu wissen.
Ich bin damit gar nicht so weit von den Menschen entfernt, für die Lukas seine Jesusgeschichte schreibt. Sie leben in einer Nachkriegszeit und unter einer fremden politischen Macht. Jeder Tag ist eine Herausforderung für sie. Und wenn sie ehrlich mit sich sind, glaubt niemand von ihnen mehr, dass da noch etwas kommt, auf keinen Fall etwas Schönes. Oder jemand, von dem so viel die Rede war, Jesus, der Menschensohn, der in Kraft und Herrlichkeit kommen sollte. Sie sind müde vom Warten geworden, erwartungsmüde.
Aber jedes Jahr im Advent wird meine müde gewordene Erwartung aufgeweckt. Auf einmal gibt es ein Ziel in der Zeit, auf das ich hinleben kann: Weihnachten. Auch wenn es nicht immer so ist, dass ich Weihnachten kaum erwarten kann – die ganzen Vorbereitungen und die gut gefüllte Zeit bis zum Heiligen Abend schaffen trotzdem eine Art von Bewegung, in mir und in vielen anderen Menschen auch. Wir müssen bloß aufpassen, dass diese jahreszeitlich bedingte Erwartung nicht zu schnell zur Routine wird. Und wir den Blick nur auf das richten, was uns vor den Füßen ist und was bis zum 24. Dezember noch alles erledigt werden muss. Manchmal kommt es mir so vor, als verdecke die ganze adventliche Betriebsamkeit, dass es mit den größeren Hoffnungen und der Fähigkeit, etwas zu erwarten, nicht sehr gut bestellt ist.
An alle Erwartungsmüden am Boden der Tatsachen schreibt Lukas: Seht auf, erhebt eure Häupter. Nehmt eine Erwartungshaltung ein, die ihren Namen verdient. Den Kopf hoch, den Blick nach oben, so als würdet ihr schon nach dieser einen Wolke am Himmel suchen. Jesus kommt. Und das ist nicht nur sein Pflichtbesuch zu Weihnachten, sondern die Kraft, die die ganze Welt verändert. Macht lieber ein bisschen weniger Aufhebens um dieses und die nächsten Weihnachten. Bleibt erwartungsvoll und erhebt euch – um einer größeren Hoffnung ins Gesicht zu sehen.
Gebet
Wie schwer ist es manchmal,
noch etwas zu erwarten, Gott:
Von anderen Menschen, von dieser Welt,
oder vom Leben.
Lass nicht zu, dass uns die Erwartung ausgeht,
richte du uns auf, damit wir dir entgegensehen.
Amen